Der Teufel mit den drei goldenen Haaren
Es begab sich zu der Zeit, als die Tage nicht mehr so richtig hell waren, kürzer wurden und das Jahr sich seinem Ende neigte. Die Sonne zeigte selten ihr blasses und kaltes Gesicht. Die Luft wurde eisig und die Menschen verzogen sich an Orte, wo es warm und gemütlich war, wo sie sich wohlfühlten und der helle warme Schein der Lichter die Herzen wärmte. Zu der Zeit Zeit, als die Stadt einen wunderschönen Weihnachtsmarkt aufbaute, merkten alle, dass etwas fehlte. Keine richtige Stimmung kam auf. Es roch nicht nach Weihnachten. Weder auf dem Weihnachtsmarkt, noch in den Bäckerläden, in den Supermärkten, in keinem Haushalt, gab es Lebkuchen oder anderes Weihnachtsgebäck. Keinerlei Weihnachtsgewürze waren zu finden und alle Rezepte waren aus den Köpfen und Büchern verschwunden. Die Bäcker der Stadt Wismar waren die Ersten, die es merkten. Sie setzten sich zusammen und beratschlagten. Der Vorsitzende der Bäckerinnung sagte: „Ich war in Schwerin und in Lübeck. Überall duftet es nach Weihnachtsgebäck und aromatischem Glühwein. Ich habe mir von allem was nach Hause mitgenommen, aber kaum hatte ich die Stadtgrenze überschritten, war alles verschwunden.“ Den anderen Bäckern war es ebenso ergangen. Die Menschen in Wismar schimpften. Das konnte so nicht weitergehen. Also schritten die Bäcker zur Sitzung der Bürgerschaft. Der große Rat von Wismar sorgte immer für die Einwohner und sollte dieses schwierige Problem klären. Als die Bäcker ihr Anliegen vortrugen, schauten die Mitglieder des großen Rates betreten in die Runde. Keiner fand eine Erklärung. Aber weil die Bürgerschaft immer entscheiden muss, legte sie fest: „Das Übel der fehlenden Lebkuchen und Weihnachtgewürze kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Da muss sich jemand eingemischt haben. Um das herauszubekommen muss jemand zum Teufel mit den drei goldenen Haaren gehen und ihn befragen.“ So war der Beschluss des großen Rates. Die Bäcker ängstigten es, denn es war ein gefährliches Unterfangen. Deshalb bestimmten sie das jüngste, mutigste Mitglied der Bäckerinnung, den Teufel zu suchen und zu befragen. Dem jungen Mann war nicht Bange und so machte er sich auf den Weg.
Lange wanderte er über Felder, durch Wälder, an Seen vorbei, über die Insel Poel und schaute von den hohen Küsten über das Meer. Endlich kam er zur Höhle des Teufels. Der war aber nicht zu Hause. Nur die Ellermutter war da. Sie war erschrocken, als ein Mensch in der Höhle stand. „Der Teufel wird dich fressen, wenn er nach Hause kommt und dich hier vorfindet.“Der Bäcker erzählte der Großmutter, von wem er geschickt worden war und was er den Teufel fragen sollte. Da bekam sie Mitleid mit den Wismarer Bürgern. Sie verwandelte den Bäcker in eine Ameise, steckte ihn in eine Falte ihres Rockes und befahl ihm, gut zuzuhören, wenn sie mit dem Teufel sprach. Nach einiger Zeit kam der Teufel nach Hause. Er betrat die Höhle, hob die Nase und brummte gereizt: „Ich rieche, rieche Menschenfleisch.“ Die Großmutter antwortete rasch, „du irrst dich. Du riechst nur die frisch gebackenen Lebkuchen. Komm, leg dich zu mir und ruh` dich aus.“ Die Ellermutter setzte sich auf das Sofa, kraulte dem Teufel den Kopf und fragte ihn, wo er den heute gewesen sei. „ Ach“, murmelte der Teufel, „ich war in Stadt und Land unterwegs.“ Die Ellermutter sagte: „Mir träumte, dass die Bäcker in Wismar keine Weihnachtsgewürze haben und sie auch nicht mehr backen können, weil sie alles vergessen haben. Ist das so, weil ich für dich jeden Tag diese vielen Lebkuchen backen muss? Ich wüsste zu gern, ob man das ändern könnte.“ Während sie dem Teufel den Kopf kraulte, zupfte sie ihm nach jeder Frage ein goldenes Haare aus dem Kopf, bis die drei goldenen Haare ausgerissen waren. Der Teufel lachte höhnisch und sagte, „die Menschen wissen jetzt nichts mehr, weil ich sonst nicht genug hätte. Für alle reicht es nicht. Aber sie könnten es ändern, indem sie den Zauber lösen. Ein Bäcker müsste an einem Tag, an dem die Stadtbibliothek normalerweise mittags geschlossen hat, in die Bibliothek gehen, und laut sagen, dass er ein Backbuch mit Weihnachtsrezepten ausleihen wolle.“
Der Teufel schilef ein und die Ellermutter holte die Ameise aus ihrer Rockfalte und verwandelte sie zurück in den Bäcker. Sie fragte Ihn, ob er alles gut verstanden hätte. Dann gab sie ihm die drei goldenen Haare als Schutz vor dem Teufel. Der Bäckerjunge lief eilig zurück nach Wismar und löste den Zauber, zum Ärger des Teufels, der nichts mehr dagegen machen konnte.
Dann zog auch endlich in Wismar der Duft von Weihnachten ein.
Originally posted 2018-12-02 15:38:32.